Markenführung in Multikrisen – Wie Werbetreibende erfolgreich durch Krisen navigieren können

Markenführung in Multikrisen – Wie Werbetreibende erfolgreich durch Krisen navigieren können

Inflation, Ukrainekrieg, Corona- und die Klimakrise – gefühlt will diese Aufzählung an Krisenherden nicht enden. Viele Verbraucher:innen konsumieren schon heute deutlich weniger und werden 2023 voraussichtlich noch deutlicher sparen müssen. Welche Konsequenzen werden diese Einflüsse für die Werbung und die Marken-Kommunikation haben? Wie haben vergangene Krisen die Gesellschaft geprägt? Und welche Erkenntnisse haben wir, die wir für die Markenführung adaptieren können?

Im Rahmen unserer JOM-IMPULSE-Reihe haben die Referenten Carsten Baumgarth (Professor für Markenführung an der HWR Berlin & Creator des Instagram-Wissenschaftskanals „Brückenbau Marke“) und Peter Brawand (CEO & Co-Owner häppy) gemeinsam mit unserem Managing Director Volker Neumann spannende Vorträge geliefert, wie Marken erfolgreich durch diese Zeiten navigieren können.

JOM-IMPULSE IN A NUTSHELL

Lernen aus der Wissenschaft

Den Auftakt des digitalen IMPULSE-Events machte Carsten Baumgarth, der aufzeigte, wie Erkenntnisse aus der Wissenschaft dazu beitragen können, Marken auch in Krisenzeiten erfolgreich zu führen. Auch wenn es für aktuelle Krisen noch keine aufbereiteten Forschungsergebnisse gibt, da der Forschungsprozess immer rund drei Jahre in Anspruch nimmt, können Werbetreibende aus vergangenen Krisen lernen: So lässt sich beispielsweise beobachten, dass häufig zunächst die Bruttowerbeinvestition zurückgehen. Eine Roberts-Studie aus dem Jahr 2003 zeigt jedoch, dass eigentlich entgegengesetzt gehandelt werden sollte. Denn Unternehmen und Marken können Marktanteile, die sie in der Krise gewinnen, auch nach Ende der Krise nachhaltig halten.

Baumgarth warnt, dass nicht jede Strategie, die Unternehmen während einer Krise wählen, empfehlenswert ist: Eine häufige Methode, um Kostensteigerungen zu verbergen, ist Shrinkflation. Hierbei wird der Verpackungsinhalt reduziert, statt die Preise offensichtlich zu erhöhen. Das kann allerdings auf lange Sicht schädlich für Marken sein, da treue Kund:innen die Veränderung schnell bemerken werden. Auch Institutionen wie die Hamburger Verbraucherzentrale weisen oft auf solche „Mogelpackungen“ hin. Laut von Professor Baumgarth angebrachten Studien sind Verbraucher:innen jedoch durchaus bereit, höhere Preise zu akzeptieren, wenn die Gründe dafür gut erklärt sind.

Grundsätzlich ist die Ursache der Krise weniger entscheidend als ihre Auswirkungen. Deshalb empfiehlt er eine gemeinsame Markenkrisentheorie, bei der die verschiedenen Bausteine zusammengesetzt, anstatt einzeln diskutiert werden. Diese Theorie sollte untersuchen, wie lange Krisen wirken und wie sie gemildert werden können sowie wie lange sie im Gedächtnis der Verbraucher:innen bleiben. Um aussagekräftige Ergebnisse zu erhalten, sollte die Forschung am tatsächlichen Geschehen durchgeführt werden.

Als zweites Learning aus der Wissenschaft für Marken brachte Carsten Baumgarth das Konzept der Erdung mit. Marken versuchen, den Menschen ein Gefühl von Heimat zu vermitteln. Insbesondere in Krisenzeiten wird dieses Konzept wichtiger. Die Studien zeigen, dass die Preisbereitschaft der Konsument:innen steigt, sobald sie ein Gefühl von Nähe zu Marken verspüren. Dieses Gefühl kann z. B. durch das Shopdesign oder das Label „Handmade“ vermittelt werden.

Mediaplanung in dynamischen Zeiten

Die Unsicherheiten in der Gesellschaft, die auf die Multikrisen zurückzuführen sind, haben auch einen Einfluss auf den Werbemarkt. Umfragen zeigen, dass die Deutschen vermehrt sparen. Der Preis rückt immer mehr in den Vordergrund und das Markenprodukt wird häufiger liegen gelassen. Die Konsequenz: die Marktanteile der Markenhersteller gehen zurück. Wie können Werbetreibende ihre Budgets 2023 effizient einsetzen? Volker Neumann, Managing Director bei der JOM Group, lieferte in seinem Impuls fünf Handlungsempfehlungen:

  1. Zunächst eine Empfehlung, die auf der Hand liegt: In der Mediaplanung sollte der Fokus auf kaufkräftige Zielgruppen gelegt werden. Im Bereich Bewegtbild nutzen kaufkräftige Zielgruppen eher digitale Formate. Daher sollte hier überprüft werden, welche Kanäle zur Verfügung stehen. Klassisches TV erreicht zwar eine größere Reichweite, aber via Addressable TV (ATV) und Connected TV (CTV) lässt sich die Zielgruppe in Bezug auf Kaufkraft eingrenzen bzw. sich dieser annähern.
  2. Ein zweiter Aspekt ist die Interdependenz von Marken- und Preiskommunikation. Beide Dimensionen hängen zusammen bzw. voneinander ab, daher sollte beides in der Kommunikation berücksichtigt werden. Wie verändert sich zum Beispiel der Cost per Visit im Store oder auf der Website, wenn sich der Status der Marke (z.B. die Markenbekanntheit) im Laufe der Zeit ändert?
  3. Auch bei der Aussteuerung der Kommunikation sollten beide Komponenten miteinander verknüpft werden. In der Praxis bedeutet dies, in Kontaktstrecken zu denken: Ein imageorientierter Spot wird über digitales Bewegtbild ausgespielt, über den die ersten Kontakte zustande kommen, um dann über ein anderes Device den Produktspot auszuspielen.
  4. Marken- und Produktkommunikation sollten auch gestalterisch miteinander verknüpft Hierfür eignen sich bestimmte Werbeformate wie der „JOM Branded Player“ besonders gut. Damit kann die Imagekommunikation über digitales Bewegtbild erfolgen und über dynamisch integrierte Einblendungen können weitere Informationen, z. B. zum Produkt, integriert werden.
  5. Last but not least: Potenziale in den Regionen nutzen. Über digitale Bewegtbildformate oder digitale Außenwerbung kann eine Kampagne gezielt in bestimmten Regionen ausgespielt werden. Entweder in Regionen, in denen besonders große Absatzpotenziale liegen, oder gezielt dort, wo der Absatz zuletzt zurückgegangen ist. Die regionale Aussteuerung lässt sich zudem auch mit dem unter Punkt 3 genannten Kontaktstrecken verbinden. Heißt: Wenn ein Erstkontakt national im Bewegtbild geschehen ist, kann dieser regional als gezielter Zweitkontakt via DOOH angesprochen werden.

Gute Kreation in Zeiten von Krisen

Im letzten JOM-Impuls beantworte Peter Brawand die Frage, wie Werbetreibende während Krisenzeiten sowohl sensibel kommunizieren als auch Haltung beweisen können. Hierbei ist wichtig zu verstehen, dass die Auswirkungen von Krisen auf jedes Individuum unterschiedlich sind.

Marken müssen sich daher nicht nur die Frage stellen, wie es ihrer Zielgruppe geht, sondern auch in welchem Markt sie agieren. Es geht darum, wie Marken ihre Zielgruppen in schwierigen Zeiten emotional unterstützen können. Peter Brawand betont, dass Marken in diesen Zeiten sichtbar sein müssen, denn Menschen brauchen in Krisenzeiten starke Marken mit einer klaren Haltung, die ihnen Orientierung geben. Wie diese Sichtbarkeit gelingen kann, dazu lieferte er drei Anregungen:

  1. Die erste Möglichkeit besteht darin, Stabilität zu vermitteln. In Krisen passiert vieles, auf das die Verbraucher:innen keinen direkten Einfluss haben. Die Folge ist ein Gefühl der Ohnmacht. Hier können Marken ansetzen und positive, wiederkehrende Gefühlszustände versprechen. Zum Beispiel durch ritualisierte Stimmungsaufheller wie die Tasse Kaffee am Morgen, um ein Gefühl von Normalität zu vermitteln.
  2. Die zweite Option ist, Bindungen zu schaffen. Marken können Vertrauen und Verlässlichkeit schaffen, indem sie die Kraft der Gemeinschaft ansprechen und das Gefühl vermitteln: „Du bist nicht allein.“
  3. Und der letzter Aspekt ist „Bewegung“: Marken können zeigen, dass sie trotz schwieriger Phasen nicht das große Ganze aus den Augen verlieren, dass sie sich weiterhin für eine bessere Welt einsetzen und so auch die Konsument:innen mitnehmen und bei ihnen einen gewissen Zukunftsoptimismus erzeugen.

Fazit

Die aktuellen multiplen Krisen stellen nicht nur die Menschen, sondern auch Marken vor Herausforderungen. Auch wenn es für die aktuellen Krisen zurzeit noch keine ausgearbeitete Forschung gibt, können Marketer aus den Erkenntnissen der Wissenschaft lernen, wenn sie sich mit den Learnings aus vergangenen Krisen auseinandersetzen. Für den Bereich Media empfiehlt es sich, in Phasen, in denen die Verbraucher:innen vermehrt sparen, besonders auf kaufkraftstarke Zielgruppen zu setzen und Kampagnen gezielt in den Regionen auszusteuern, in denen große Absatzpotenziale liegen. Gleichzeitig sollten sowohl in der Kommunikation als auch in der Austeuerung sowie Gestaltung von Kampagnen Marke und Produkt miteinander verknüpft werden. Darüber hinaus gilt für die Kreation von Kampagnen, dass Menschen gerade in schwierigen Zeiten Orientierung in Marken suchen und daher die Vermittlung von Werten im Vordergrund stehen sollte.

Die IMPULS-Veranstaltung „Erfolgreiche Marketing-Kommunikation in Zeiten von Multikrisen“ fand am 19. Januar 2023 statt.